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Emanuel
Ogrodniczek

Das Stahlmonster wird zur Kunst

Emanuel Ogrodniczek malt im Auftrag des Schwanauer Unternehmers Martin Herrenknecht Tunnelvortriebsmaschinen

LAHR. Sie sind gewaltig. Richtige Monster. Bis zu 16 Meter hoch, bis zu 200 Meter lang, werden die Tunnelvortriebsmaschinen der Firma Herrenknecht. Ihre Aufgabe: sich tief ins Erdreich wühlen und Tunnel schaufeln. Emanuel Ogrodniczek ist ihr Meister. Dafür braucht er kein Ingenieurdiplom, nur Ölfarbe, Pinsel und Leinwand. Seit etwa fünf Jahren malt der 42-jährige Lahrer die Kolosse aus Stahl und Elektronik im Auftrag des Schwanauer Unternehmers. “Früher waren die Kirchenführer Hauptauftraggeber für Künstler” , sagt Emanuel Ogrodniczek. “In Kirchen wird kaum noch etwas in Auftrag gegeben. Die Industrie ist heute ein adäquater Partner.”

Für Emanuel Ogrodniczek ist das Finanzielle sicher ein Faktor. Doch uninteressante Aufträge würde er auch für Geld nicht annehmen. Die Riesenmaschinen haben ihn vom ersten Augenblick an gereizt. Andere würden in ihnen vielleicht nur technische Perfektion sehen, er beschreibt sie als unheimlich ästhetische Objekte. Herrenknechts Sekretärin kam 2000 auf ihn zu. Ob er nicht eine Tunnelvortriebsmaschine malen wolle. Er wollte. Zwei Männer aus der Firma fotografierten das vollendete Werk. Dann passierte erstmal nichts. “Ich habe mich gefragt, ob Herr Herrenknecht das Bild für ein Foto gehalten hat” , sagt der Maler.

Er soll wenig später für die Eröffnung des Markts an der Arena eine Ausstellung zusammenstellen. Seine Frau rät ihm, den Koloss aufzuhängen. Dort entdeckt ihn Herrenknecht bei einer Begehung. Dieses Mal ruft er an. “Ich will das Bild!” Als Ogrodniczek es ausliefert, kommt die erste Bestellung für die Vortriebsmaschine, die den Tunnel in Zürich-Thalwil bohren soll. Seitdem sind es etwa ein Dutzend verschiedene Bohrer gewesen, denen er ein Gesicht gegeben hat.

Hauptmotiv ist das runde Kopfteil der Maschine mit dem Schneidrad. Dazu überlegt sich Herrenknecht Details, um die Bilder für ihre Empfänger zu personifizieren. Denn die Ölgemälde verschenkt er meist bei einem offiziellen Termin. Nur wenige behält er selbst. Mal sind die Beschenkten neben dem Schneidrad abgebildet, mal muss die Heilige Barbara, Patronin der Bergleute, aufs Bild.

Die Vortriebsmaschinen tragen auf ihren Schneidrädern für jedes Projekt andere Farben. Das wird meist vom Kunden bestimmt. Mal wird die Farbe eines Logos, mal die Landesflagge farblich auf das runde Gesicht der Maschine gesetzt. Der Bohrer, der einen Autobahntunnel in Madrid auffahren soll, hat außen einen mächtigen roten Ring, innen ist er gelb. Die riesige rote Fläche hat Ogrodniczek in ein vibrierendes Areal verwandelt. Am liebsten malt der Künstler Schneidräder, die sich schon ins Gestein gefressen und eine verletzte Metalloberfläche haben. “Da kann man freier künstlerisch arbeiten.” Einige Bohrer werden den Künstler in die Bretagne begleiten, wohin er sich über die Wintermonate zurückzieht, um zu malen. Denn trotz künstlerischer Freiheit sind Abgabetermine immer noch Abgabetermine.

Constance Frey, Badische Zeitung vom 09.12.2005

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